Die Welt kennt 1,75 Millionen unterschiedlicher Arten und täglich kommen neue hinzu. Wieviele es wirklich sind, lässt sich nur schätzen. Unter den erfassten Arten macht sich ein Phänomen breit, das unsere Ökosysteme gefährdet: Das Artensterben. Wir gehen der Artenvielfalt und dem Artensterben auf den Grund.
Unter Arten verstehen wir Tiere, Pflanzen, Pilze und auch Mikroorganismen – sie stellen gemeinsam die Artenvielfalt dar. Wie viele Arten es auf der Erde gibt, wissen wir allerdings nicht genau. Es gibt Schätzungen mit einer großen Bandbreite zwischen zwei und zehn Millionen Arten auf der Welt. Beschrieben wurden im Jahr 1995 aber immerhin 1,75 Mio Arten im Rahmen des Global Biodiversity Assessments der UNEP (UN Environment Programme). Und: Täglich kommen neue Arten hinzu; pro Jahr sind es mehrere Tausend. Wie viele Arten tatsächlich bereits ausgestorben sind oder vom Aussterben bedroht sind, lässt sich dementsprechend auch nur schätzen. Vermutlich sind es derzeit mehrere Tausend pro Jahr. Das Artensterben bedroht die Artenvielfalt und unsere Ökosysteme. Die Gründe für das Artensterben sind vielfältig und eng miteinander verwoben.
Wie wird die Artenvielfalt erfasst und gemessen?
Die Erfassung und Messung ist weltweit ein großer Aufwand. Für Schätzungen werden Experten herangezogen – für bestimmte Gebiete oder für bestimmte Arten. Die Erfassung und Zählung kann auf ganz unterschiedlichen Wegen erfolgen: Simples Zählen, mit Kamerafallen, anhang von Hinterlassenschaften wie Haare oder Kot, mit Kamerafallen und neuerdings auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz beispielsweise in der Ostsee.
Im Jahr 1995 gab es eine sehr große Studie, die die Artenvielfalt auf 1,75 Mio Arten bezifferte. Die UN hat mit der Organisation IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ein von Staaten unabhängiges Gremium geschaffen, das biologische Vielfalt, Ökosyysteme und die Erhaltung der Natur zum Ziel hat. Zu den Aufgabengebieten umfangreichen Bericht der IPBES zur biologischen Vielfalt für das Jahr 2020 geht die Studie von etwa 8 Millionen Arten (Pflanzen und Tiere) aus. Davon sind rund 75 % Insekten. Etwa eine Million Arten sieht der Bericht vom Aussterben bedroht. Doch zunächst werfen wir einen Blick darauf, wie sich die Arten auf der Erde verteilen.
Wo finden sich weltweit die meisten Arten?
Die Artenvielfalt wird in Richtung Äquator immer höher – auf der Weltkarte ist das gut erkennbar. In Richtung der Pole dagegen ist die Artenvielfalt geringer, aber nicht weniger bedeutsam. Vor allem die Regenwaldgebiete der Erde – in Südamerika, Afrika und Asien – weisen die höchste Artenvielfalt auf. Dabei gibt es Hotspots mit besonders vielen Arten auf begrenztem Raum. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 80 % aller Arten in den tropischen Regenwälder leben, obwohl diese nur etwa 7 % unseres Planeten bedecken. Zum Vergleich: In Deutschland sind etwa 70.000 Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen bekannt. In Brasilien dagegen sind etwa 120.000 Arten bekannt, viele wurden aber noch gar nicht entdeckt.
Die Aussterberate und andere Indikatoren für das Artensterben.
Der eine oder andere Leser mag einwenden, dass die Evolution schon immer ein Kommen und Gehen von Pflanzen, Tieren oder auch Pilzen und Mikroorganismen mit sich brachte. Das ist richtig. Allerdings: Auf Basis vieler Daten lässt sich eine Aussterberate ermitteln, die mehrere hundert Jahre zurück reicht und zwar laut IPBES bis zum Jahr 1500. Denn: Die Aufzeichnung und Katalogisierung von Arten ist keine neue Disziplin. Zur Berechnung werden ausserdem Fossilien herangezogen. Die Daten der Weltnaturschutzunion IUCN kennt man im Zusammenhang mit ‚roten Listen‘, die von dieser Organisation geführt werden. Die Daten der IUCN bilden ebenfalls eine Grundlage für die Einschätzung der Aussterberate.
Massenaussterben gab es auch in der Vergangenheit; am bekanntesten dürfte das Aussterben zum Ende des Dinosaurieralters vor 66 Millionen Jahren sein. Von einem Massenaussterben ist übrigens dann die Rede, wenn innerhalb von weniger als 2 Millionen Jahren mehr als 75 % aller Arten verschwinden.
Folgt man den Wissenschaftlern, die den IPBES Report verfasst haben, dann sieht es nicht gut aus für die Artenvielfalt. Darin stimmen auch andere Untersuchungen und Erhebungen überein. Beispielsweise der Living Planet Index – ein Instrumentarium zur Messung der Artenvielfalt im Rahmen multinationaler Vereinbarungen – sieht nicht nur viele Arten gefährdet, vielmehr geht die Population vieler Arten ebenfalls stark zurück. Der Living Planet Index stellt fest, dass die Wildtierpopulation auf unserem Planeten seit dem Jahr 1970 um 69 % zurück gegangen ist. Der IUCN hat rund 44.000 Arten als gefährdet eingestuft. Der Rückgang der Artenvielfalt ist bedrohlich, auch für unsere eigene Art.
Südamerika und Afrika sowie Südostasien sind vom Artensterben am stärksten betroffen. Dabei konzentriert sich der Rückgang genauso wie die Hotspots der Artenvielfalt insbesondere auf den Regenwald. Im Amazonas, in den Anden, im Kongobecken, auf Madagaskar, in Indonesien und anderen Südostasiatische Regionen geht die Tier- und Pflanzenwelt in beängstigendem Ausmaß zurück. Aber auch Nordamerika und Europa sowie Zentralasien kämpfen mit Verlusten bei der Artenvielfalt.
Welche Arten sind besonders vom Artensterben betroffen?
Besonders gefährdet: Amphibien.
Das Goldfröschchen stammt aus Madagaskar und landet gerne in heimischen Terrarien. Illegale Tierausfuhren schaden den ohnehin sehr dürftigen Beständen des Mini-Frosches. Amphibien wie Frösche, Kröten, Molche, Salamander und auch Unken sind in besonderem Ausmaß vom Artensterben betroffen.
Pflanzenwelt im Rückwärtsgang.
Palmfarne: Sie kommen in tropischen Gebieten vor und umfassen über 300 Arten. Davon sind zahlreiche gefährdet bis stark gefährdet, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Sie führen die Rote Liste bei den Pflanzen an.
Haie, Rochen und Korallen.
Der Große Hammerhai so wie auffällig viele andere Haiarten stehen auf der roten Liste. Sie sind sehr anfällig für Überfischung. Aber auch Korallenriffe sind seit Jahren stark gefährdet. Sie stellen einen wichtigen Lebensraum für viele Rochen- und Haiarten dar und somit wird deren Rückgang zum Verhängnis für andere Meeresbewohner.
Weichtiere oder Mollusken.
Auch Schnecken, Muscheln, Tintenfische und Seeigel sowie andere Arten sind stark bedroht. Die rote Wegschnecke ist eine der bekanntesten Schnecken in heimischen Wäldern – vor allem im Alpenraum tauchte sie einst sehr häufig auf. Es gibt sie noch, aber auch sie wird als gefährdet vermutet. Viele andere Schneckenarten sind bereits deutlich seltener geworden.
Unter den vielen Arten, die vom Aussterben bedroht sind, lernst du im Folgenden einige Vertreter der bedrohten Natur kennen. Neben diesen stehen aber auch zahlreiche andere sehr bekannte Arten auf roten Listen. Dazu gehören beispielsweise Jaguar, Blauwal, Tiger, Hummer, Wildbienen, Seeadler, Zwergfaultier, Löwe, Elefant, Rotwolf oder auch das ungewöhnliche Schuppentier. Zahlreiche Lemuren und Primaten sind ebenfalls dem Artensterben ausgesetzt.
Der putzige Feldhamster wurde bis 1980 als Schädling betrachtet und vor allem im einstigen Ostdeutschland stark bejagt. Heute ist er vom Aussterben bedroht.
Neben vielen Kulturäpfeln ist der Europäische Wildapfel vom Aussterben bedroht. Der Wildapfel ist zwar essbar, schmeckt aber nicht sonderlich gut.
Die Fledermaus mit dem Namen Braunes Langohr ist eine Waldfledermaus, bevorzugt lebt sie in Baumhöhlen, aber auch in Mauerwerkslöchern. Ihr Lebensraum geht verloren.
Der Axolotl ist etwas ganz Besonderes: Im Gegensatz zu anderem Amphibien durchläuft er keine Metamorphose von der Larvengestalt zum erwachsenen Tier.
Europäischer Nerz: Das begehrte Fell und immer weniger Feuchtgebiete werden dem Nerz zum Verhängnis. Er wird zudem vom amerikanischen Nerz verdrängt.
Der Orang Utan ist ein Menschenaffe. Auch sein Fortbestand ist gefährdet – durch Jagd und Lebensraumverlust. Er ist in Borneo und Sumatra zu finden.
Der Eisbär ist ebenfalls auf der Roten Liste gelandet. Sein Lebensraum ist vor allem durch den Klimawandel in Gefahr. Zu wenig Eis bedeutet für den Eisbären ein Nahrungsproblem.
Die Europäische Eibe als Wildform der Eibe ist dem Bau von Bögen und anderen Werkzeugen zum Opfer gefallen und sie wächst nur sehr langsam nach – es sind kaum Bäume übrig.
Der Große Tümmler war einst auch in Deutschland und den Niederlanden beheimatet. Seit den 1970er Jahren gilt er bei uns bereits als ausgestorben.
Die Echte Karettschildkröte steht für die für gravierende Probleme der Meeresbewohner: Jagd und Plastikmüll in den Ozeanen bringen viele Arten an den Rand ihrer Existenz.
Die Blaue Ornament Vogelspinne lebt in Südostindien. Sie ist bei Spinnenliebhabern und Terrarienbesitzern begehrt. In freier Natur sind ihre Bestände stark rückläufig.
Der Fischotter ist gleich von mehreren Problemen betroffen: Überfischung, Lebensraumverlust, Ausbau der menschlichen Infrastruktur – der überaus elegante Schwimmer ist bedroht.
Gründe für das Artensterben.
- Klimawandel: Viele Tierarten kommen mit veränderten klimatischen Bedingungen schwer oder gar nicht zurecht. Der Klimawandel wirkt sich mit heißen Sommermonaten und Dürren auf die Lebensräume vieler Tiere aus. Dazu gehört beispielsweise der Eisbär, der aufgrund längerer eisfreier Zeit weniger Nahrung findet. Andere Tiere finden nicht mehr genügend Wasser.
- Jagd und Überfischung oder Überweidung: Die Gewässer der Erde werden stark ausgebeutet. So landen zahlreiche Haie als unerwünschter Beifang in den Netzen der Fischer. Andere Tiere werden gnadenlos bejagt – insbesondere, wenn sie eine leichte Beute abgegeben. Zahlreiche Waldflächen fallen Rodungen zugunsten der Viehzucht zum Opfer. Das Einleiten von Chemkalien in Flüsse und Seen aus der kommerziellen Landwirtschaft stellt ebenfalls ein Problem dar.
- Schrumpfen von Lebensräumen: Abholzung – insbesondere Brandrodungen – richten verheerenden Schaden an. Aber auch die Versiegelung von Flächen in urbanen westlichen Lebensräumen, undurchdringliche Zäune oder landwirtschaftliche Flächen ohne Rückzugsräume schaffen ungünstige Voraussetzungen. Das weltweite Bevölkerungswachstum trägt dazu bei.
- Monotonie: Weltweit werden Nahrungsangebote oder Pflanzenzucht immer ähnlicher. Sorten, die möglichst wenig anfällig für Schädlinge oder Krankheiten sind, decken den Tisch und landwirtschaftliche Flächen werden davon großflächig bedeckt. Die Vielfalt geht dabei verloren.
- Müll: Insbesondere der Plastikmüll in den Meeren wird vielen Arten zum Verhängnis, etwa den Meeresschildkröten.
- Invasive Arten: Diese machen sich breit und verdrängen einheimische Wildtiere. Meist werden sie versehentlich über internationale Handelswege eingeschleppt. Der asiatische Marienkäfer und der amerikanische Nerz gehören beispielsweise zu diesen invasiven Arten.
Ist eine Trendumkehr möglich?
Es gibt gelungene Versuche, Arten zu retten. Fangquoten zum Begrenzen der Überfischung oder auch Auswilderungsprojekte helfen dabei. Eine solche Erfolgsgeschichte hat beispielsweise den immer noch gefährdeten Blauwal zurück gebracht. Gnadenlose Jagd hatte ihn zuvor fast zur Ausrottung gebracht. Auch das mächstige Wisent bevölkerte einst Europa und war so gut wie ausgestorben. In Deutschland sind auch die Wölfe dank aktiven Artenschutzes zurück. Das Bundesamt für Naturschutz meldete für das Jahr 2022/2023 fast 190 Wolfsrudel – vor allem im Nordosten Deutschlands.
Allerdings: Nur ein kleiner Teil der weltweit gefährdeten Arten weist steigende Populationszahlen auf. Neben dem Einsatz von Tierschutzorganisationen oder vereinzelt auch privaten Initiativen wären für eine Trendumkehr deutlich drastischere Maßnehmen nötig, als dies derzeit der Fall ist.
Im Rahmen des Pariser Abkommens kämpft die Welt um die Folgen des Klimawandels – einige der geplanten Maßnahmen helfen auch Tieren und Pflanzen oder Mikroorganismen; zumindest indirekt. Neben weniger Abholzung und dem Einsparen von Treibhausgasen wären aber auch ergänzende Maßnahmen nur für den Artenschutz notwendig. Denn: Zu vielfältig und komplex sind die Gründe für das Artensterben. Eine komplette Trendumkehr wäre zwar theoretisch möglich, ist aber unter jetzigen Umständen eher nicht zu erwarten.
Was wird gegen das Artensterben unternommen?
Grundlage für viele Naturschutzmaßnahmen ist die Berner Konvention – ein Übereinkommen für die Erhaltung europäischer wildlebender Pflanzen und Tiere und ihrer Lebensräume. Der Konvention sind auch viele Staaten ausserhalb Europas beigetreten. Festgelegt werden in der Konvention beispielsweise Verpflichtungen zum Erhalt von Lebensräumen oder auch Nutzungsbeschränkungen. Ähnliches gilt für die Bonner Konvention, die sich aber auf wandernde Tiere bezieht – wie etwa Wale oder Meeresschildkröten und natürlich Zugvögel. Diese verbietet beispielsweise die Jagd auf Wale. Ein weiteres wichtiges Abkommen dient dem Schutz wandernder Wasservögel, das African-Eurasian Waterbird Agreement (AEWA). Das weltweit umfassendste Abkommen ist die Biodiversitätskonvention aus dem Jahr 1992 – hierbei sind 192 Staaten unserer Welt beteiligt.
Aus den Abkommen ergeben sich verschiedene Naturschutzrichtlinien, die es auch auf europäischer Ebene gibt. In diesen wird beispielsweise festgelegt, welche Tiere nicht gejagt werden dürfen. Dazu gehören in Deutschland beispielsweise Luchs, Wildkatze, Fischotter und viele Vogelarten. In Deutschland ist ganz konkret das Bundesnaturschutzgesetz maßgebend.
Förderprogramme beispielsweise für Städte und Kommunen sollen das Anlegen naturnaher Parkanlagen fördern und unterstützen. Andere Förderprogramme sollen für mehr Aufklärung beispielsweise über die Bedeutung der Arten oder der Rolle von Insekten sorgen.
Eine wichtige Rolle haben auch Tierschutz- und Naturschutzorganisationen wie etwa der WWF, NABU (Naturschutzbund) oder auch Greenpeace und weitere. Diese führen Untersuchungen und Erhebungen durch, erstellen Berichte über die Lage und können so Einfluss nehmen. Außerdem führen sie international auch Projekte zur Wiederansiedlung von Arten durch, betreiben umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und informieren auf diese Art und Weise die Bevölkerung oder machen auf besondere Gefährdungen aufmerksam.
Auch wenn all das gut klingt – ohne privates Engagement geht es nicht. Jeder ist gefragt, sich einzusetzen, die Natur und Artenvielfalt zu respektieren und zu schützen. Aktiv werden kannst du auf vielen Wegen – vom Umgang mit Müll, Deinem Konsumverhalten, Deinem Verhalten in freier Natur oder im eigenen Garten und Haushalt beispielsweise.